Zecken: Wann gehe ich zum Kinderarzt?

Seit Ende 2018 ist fast die ganze Schweiz „Zeckengebiet“. Der Grund: Die Zahl der Ansteckungen mit der von Zecken übertragenen viralen Hirnhautentzündung FSME (Frühsommer-Meningo-Enzephalitis) hat sich in den letzten acht Jahren vervierfacht. Rekordhohe 377 Ansteckungen gab es in der Schweiz laut dem Bundesamt für Gesundheit im letzten Jahr.

Diese Zunahme spüren wir auch in der Praxis:  Eltern und ihre Kinder kommen zu uns, weil die Kinder über anhaltende Kopfschmerzen oder Fieber klagen und ihre Glieder schmerzen. Oder weil rote Ringe um den Stich entstehen – was auf eine andere durch Zecken übertragene Krankheit, die Borreliose, hindeutet.

Es lohnt sich also – mehr denn je – über Zecken Bescheid zu wissen. Wie Sie Ihr Kind vor Stichen und Krankheiten schützen, erfahren Sie hier:

Wo und wann werden Kinder von Zecken gestochen?

Zecken sind blutsaugende Parasiten und gehören zu den Spinnentieren. Sie leben im Wald, in Büschen, Wiesen, Parks, Gärten. Es gibt viele verschiedene Arten, bei uns ist aber der Ixodes ricinus (Holzbock) am Verbreitesten. Aktiv sind Zecken ab acht Grad Celsius, wobei sie vor allem vormittags und am frühen Abend stechen. „Zeckensaison“ ist von März bis Oktober – da halten sich auch viele Menschen in der Natur auf.

Zecken erkennen ihre Opfer an Erschütterungen, der Körperwärme und Duftstoffen. Sie werden beim Vorbeigehen an Gräsern oder Gebüsch abgestreift. Sie springen den Menschen nicht an, wie viele glauben.

Bevor Zecken stechen, wandern sie oft erst am Körper entlang und suchen sich eine geeignete Stelle aus. Grundsätzlich sind Stiche überall möglich. Am liebsten aber stechen sie in feuchtwarme Stellen, wo die Haut nicht allzu dick ist: Also in die Kniekehle, Leistenbeuge, Achselhöhle oder am Haaransatz. 

Es ist durchaus normal, dass die Zecken erst nach fünf bis sechs Stunden stechen, nachdem sie auf dem Körper des Menschen sind. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie Ihr Kind möglichst rasch nach dem Aufenthalt in der Natur absuchen. 

Wie beuge ich einem Zeckenstich vor?

Ziehen Sie Ihrem Kind helle Kleidung an, die den Körper vollständig bedeckt. So sind die Zecken sichtbarer und Sie können sie besser von den Kleidern ablesen oder abschütteln. Ziehen Sie Ihrem Kind festes Schuhwerk an und sehr wirksam ist auch, wenn Sie ihm die Socken über die Hosenbeine ziehen. So kann die Zecke nicht unter den Hosen am Bein hochwandern.

Sprühen Sie Ihr Kind mit zeckenabweisendem Hautschutzmittel ein. Das sind meist die gleichen Mittel wie sie gegen Mücken wirken. Es gibt welche für Babys und Kleinkinder sowie für grosse Kinder beziehungsweise Erwachsene. Die Mittel sind im Supermarkt erhältlich und in der Apotheke, wo Sie gleich auch Beratung erhalten.

Zurück im Haus sollten Sie den ganzen Körper und die Kleidung Ihres Kindes gründlich nach Zecken absuchen. Suchen Sie nach kleinen, schwarzen Tierchen, in Grösse eines Stecknadelkopfs oder kleiner. Um sicher zu gehen, waschen Sie die Kleidung.

Können Sie Ihr Kind impfen gegen Zecken?

Gegen Zeckenstiche gibt es keine Impfung, jedoch gegen die FSME-Erkrankung (Frühsommer-Meningo-Enzephalitis). Eine FSME-Impfung ist ab dem sechsten Lebensjahr empfohlen. Bei Kindern, die sich häufig im Wald oder auf Wiesen aufhalten, empfehlen wir die Impfung schon ab 3 Jahren. Auch die Eltern können sich in der Praxis impfen lassen.

Impfungen verursachen manchmal Ängste, bei Kindern und bei den Eltern. Ihr Kind kann sich während der Impfung auf den Schoss der Mutter oder des Vaters setzen oder in deren Armen liegen. Vor der Impfung untersucht der Arzt, ob das Kind wirklich gesund ist und kein Infekt vorliegt. Dann gibt es einen kleinen Pieks, meist in den Oberarm. Danach darf sich Ihr Kind selbstverständlich etwas aus der Schatzkiste aussuchen. Zu jeder Impfung gehört auch eine Beratung der Eltern, in der Fragen beantwortet werden.

Der Impfschutz wirkt erst ab der zweiten Impfung. Üblicherweise wird diese nach 4 Wochen gemacht.  Ein Schnellschema ist möglich, in der die  zweite Impfung nach zwei Wochen durchgeführt wird. In jedem Fall ist eine dritte Impfung nach 5 - 12 Monaten notwendig.

Mein Kind wurde doch gestochen - Wie entferne ich eine Zecke?

Entfernen Sie die Zecke möglichst rasch, nachdem Sie sie entdeckt haben. Fassen Sie den Körper der Zecke möglichst nah an der Haut mit einer Pinzette, Zeckenkarte, -zange oder -schlinge. Lockern Sie den Körper vorsichtig und ziehen Sie ihn langsam (!) von der Einstichstelle weg.

Wichtig: Quetschen oder drehen Sie die Zecke nicht. Denn Zecken bohren sich nicht in die Haut hinein, sie stechen einfach. Tragen Sie auch keine Hausmittel wie Öl, Nagellack oder Klebstoff auf. In all diesen Fällen fliessen die infektiösen Sekrete aus der Zecke heraus und die Krankheitserreger gelangen erst recht in den menschlichen Körper.

Zum Schluss zerdrücken Sie die Zecke. Desinfizieren Sie die Stichstelle.

Wann gehe ich mit meinem Kind zum Arzt?

Gehen Sie zum Kinderarzt, wenn Sie sich nicht getrauen oder nicht genau wissen, wie Sie die Zecke entfernen. Oder wenn die Zecke nicht komplett entfernt ist und sich entzündet. Auch dann, wenn Sie später eine Entzündung rund um die Stichstelle feststellen (ein Stich kann sich auch ohne Infektion entzünden).

Oder natürlich, wenn Sie Anzeichen einer Infektion wahrnehmen: Etwa, wenn Ihr Kind über Kopfschmerzen, Fieber, Gliederschmerzen klagt (Symptome einer FSME-Infektion). Direkt sichtbar sind nur die Symptome einer Borreliose: die roten Ringe rund um einen Stich. Manchmal stellt man eine Ansteckung erst Monate oder Jahre nach dem Biss fest.  

   Erythema migrans ("Wanderröte")

Nebst der Borreliose und FSME gibt es weitere Erkrankungen, die durch Zecken übertragen werden. Sie sind in der Schweiz aber weniger relevant.

Was muss ich über die Borreliose wissen?

In der Schweiz tragen bis zu 30 Prozent der Zecken Borrelien-Bakterien („Borrelia burgdorferi) in sich beziehungsweise in ihrem Darm. Bei 0.3 bis 1.5 Prozent der Zeckenstiche kommt es zu einer Ansteckung. Diese passiert meistens sechs bis zwölf Stunden nach dem Stich (dies im Gegensatz zum FSME-Virus, der sich im Mund der Zecke befindet und entsprechend sofort übertragen wird). So läuft die Erkrankung ab:

Erste Phase, ab sieben Tagen bis vielen Wochen nach dem Stich: Typisch ist die Wanderröte („Erythema migrans“) – eine rote Stelle, die sich von der Stichstelle kreisförmig ausbreitet. Die Wanderröte kann aber auch fehlen oder übersehen werden! Manchmal tritt auch eine kleine Verdickung und Rötung des Ohrläppchens auf (Borrelien-Lymphozytom).

   Borrelienlymphozytom

Zweite Phase, nach Wochen bis Monaten: „Neuroborreliose“ mit Müdigkeit, chronischen Kopfschmerzen, Gesichtslähmung (sehr typisch), Taubheitsgefühlen, Seh- oder Hörstörungen.

Dritte Phase, nach Monaten bis Jahren: Gelenkbeschwerden. Selten: Herzentzündung (Herzrhythmusstörungen) und Acrodermatitis chronica atrophicans (Hautveränderungen insbesondere an Armen und Beinen).

Bei Verdacht auf Borreliose nimmt der Arzt eine Blutprobe und überprüft sie auf Antikörper. Eine Antikörperdiagnostik ist allerdings nicht immer aussagekräftig. Deshalb muss sie manchmal wiederholt werden.

Eine Borreliose lässt sich sehr gut mit Antibiotika behandeln. Am Unkompliziertesten ist dies in der ersten Phase, denn später ist ein Spitalaufenthalt nötig - mittels Infusion. Eine schnelle Reaktion ist also auch hier sehr wichtig!

Was muss ich über die FSME wissen?

Die ganze Schweiz – ausser die Kantone Tessin und Genf – ist seit diesem Frühling Risikogebiet. In Hochrisikogebieten tragen circa 1 bis 2 von 1000 Zecken den FSME-Virus in sich. Die Viren befinden sich im „Speichel“ der Zecke, eine Übertragung geschieht meistens sofort, beim Stich. So läuft die Erkrankung ab:

Erste Phase: grippeähnliche Beschwerden mit leichtem Fieber, chronischen Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen, Gliederschmerzen.

Zweite Phase: tritt nur bei ca. 10 Prozent der Infizierten auf. Nach circa einer Woche ohne Fieber tritt plötzlich wieder Fieber auf, es kommt zu Erbrechen, Bewusstseinsstörungen, starken Kopfschmerzen, eventuell zu Lähmungen.

Von schweren FSME-Erkrankungen sind Kinder selten betroffen. Denn die Schwere der Erkrankung steigt mit dem Alter. Teilweise führt FSME zu bleibenden Lähmungen und äusserst selten zum Tod (1 bis 2 pro 1000 Erkrankten).

Zur Bestimmung der FSME-Ansteckung wird das Blut auf Antikörper getestet oder der Virus direkt im Blut nachgewiesen.

Zur Vorbeugung ist eine Impfung möglich beziehungsweise in Risikogebieten auch empfohlen. Wer an FSME erkrankt, kann davon nicht geheilt werden. Mit den entsprechenden Medikamenten können lediglich die Symptome gelindert werden.

Was nehme ich aus all den Informationen mit?

Zeckenstiche können zu schweren Erkrankungen führen. Das Risiko, sich mit FSME anzustecken, ist in den letzten Jahren in der Schweiz gestiegen. Sehr gut schützen kann man sich mit der Impfung, die ab sechs Jahren empfohlen wird. Das Risiko, sich mit Borreliosen anzustecken, ist in Risikogebieten sehr hoch. Umso wichtiger ist der Schutz vor Zeckenstichen – mit der entsprechenden Kleidung, dem Einsprühen eines Schutzmittels und dem Absuchen! Zur Vorbeugung einer FSME-Erkrankung ist eine Impfung empfehlenswert: insbesondere bei Kindern, die viel im Wald und auf Wiesen unterwegs sind, und bei Erwachsenen, insbesondere bei Menschen ab 50 Jahren.

27. Juni 2019, Kinderarzthaus in Zürich Stadelhofen