Hyposensibilisierung bei Kindern

Hat Ihr Kind einen "Heuschnupfen"? Dann könnte im Herbst und Winter – wenn die Pollen nicht mehr fliegen – eine Hyposensibilisierung in Frage kommen. Diese setzt bei der Ursache der Allergie an und macht auch für Kinder Sinn. Es kann sogar sein, dass sich durch die Hyposensibilisierung weitere Allergien seltener ausbilden.

Die wichtigsten Fragen beantwortet unsere Kinderärztin Claudia Schweighart vom Kinderarzthaus St.Gallen im Interview.

Wie findet man heraus, auf welches Allergen mein Kind allergisch reagiert?

Ganz wichtig ist die Einschätzung der Eltern, ob und wann das Kind die Symptome hat. Wir empfehlen meistens, in der Küche einen Kalender aufzuhängen und die Symptome des Kindes jeden Tag einzutragen. Ein Haut- oder Bluttest allein genügt nie, auch wenn dies viele meinen. Zusätzlich muss ein Kinderarzt die Symptome analysieren. Wenn einer dieser Puzzlesteine fehlt, kann keine glaubwürdige Diagnose gestellt werden.

Welche Symptome sollte ich denn beobachten?

PollenHeuschnupfen tritt auf wenn die entsprechenden Pollen fliegen. Also im Frühling oder im Sommer. Ist das Kind viel draussen, verstärken sich die Symptome. Das ist ein wichtiger Unterschied zu Allergien auf Hausstaubmilben oder Schimmelpilze. Dort sehen die Symptome ähnlich aus. Sie machen sich in der Regel aber über das ganze Jahr bemerkbar.

Die häufigsten Symptome einer Pollenallergie, wie der Heuschnupfen auch genannt wird, sind allergischer Schnupfen, Husten und Atemnot. Dem Kind juckt und kribbelt es in der Nase, die oft die ganze Zeit «läuft». Das Sekret ist meist durchsichtig und ziemlich flüssig – im Gegensatz zu jenem einer Erkältung, das eher gelblich und dick ist. Einige Kinder schlafen wegen der verstopften Nase schlecht. Entzündet sich auch die Bindehaut an den Augen, erkennen Sie dies an den roten Augen, einem Jucken und manchmal gar geschwollener Haut rund um die Augen.

Wenn Ihr Kind Atembeschwerden hat, raten wir in jedem Fall, zum Kinderarzt zu gehen. Dort wird Ihr Kind genau untersucht und es werden Vermeidungsstrategien und Therapiemöglichkeiten besprochen.

Claudia Schweighart, was ist das, eine Hyposensibilisierung?

Statt von einer Hyposensibilisierung sprechen viele auch von einer Allergieimpfung. Bei 80 Prozent der Patienten kommt es zu einer deutlichen Abschwächung der Allergie-Symptome. Und damit zu einer Verbesserung der Lebensqualität. Bei der Hyposensibilisierung versucht man, das Immunsystem an das Allergen – den Auslöser der Allergie – zu gewöhnen.

Wie genau funktioniert die Behandlung?

PricktestBei einer Allergie reagiert das Immunsystem des Körpers ohne Grund zu stark auf bestimmte Bestandteile in Baum-, Gräser- oder Kräuterpollen, aber beispielsweise auch auf Milben oder Schimmelpilze. Kommt der Körper in Kontakt mit den Pollen, sendet er Botenstoffe aus, die an Nase, Augen und Lungen Entzündungen auslösen können.

Im ersten Schritt vor einer Hyposensibilisierung versucht man im Gespräch mit den Eltern des Kindes und mit verschiedenen Allergietests herauszufinden, welches Allergen hauptsächlich für die allergische Reaktion verantwortlich ist. Das ist für den Erfolg der Therapie ganz entscheidend.

In einem zweiten Schritt bei der Hyposensibilisierung selbst wird das Allergen dann mit einer kleinen Nadel unter die Haut gespritzt oder in Einzelfällen mittels Tabletten eingenommen. Zunächst in ganz kleinen, dann in langsam immer höheren Dosen. In der Regel dauert die gesamte Therapie drei Jahre. Mit der Zeit gewöhnt sich das Immunsystem an das Allergen und regt sich nicht mehr so sehr darüber auf. Die allergischen Symptome nehmen immer mehr ab.

Was sind die Alternativen zur Hyposensibilisierung?

Die Symptome können abgemildert werden, indem man dem Allergen aus dem Weg geht. Wir empfehlen:

  • Tageskleidung ausserhalb des Schlafzimmers auszuziehen und zu lagern
  • Abends die Haare auszuspülen
  • Wäsche drinnen zu trocknen
  • Türen und Fenster geschlossen zu halten (ausgenommen ein kurzes Stosslüften)
  • Bei einer Allergie auf Hausstaubmilben kann man beispielsweise spezielle Bettwäsche kaufen, oder bei einer Allergie auf Tierhaare oder -schuppen die Teppiche entfernen

Reichen diese Vermeidungsstrategien nicht, empfehlen sich unter Umständen auch antiallergische Augen- und Nasentropfen. Tabletten, z.B. sogenannte Antihistaminika, können die Symptome ebenfalls abmildern. Bei sehr grossem Leidensdruck können auch kortisonhaltige Arzneimittel eingesetzt werden. Die Hyposensibilisierung ist derzeit allerdings die einzige Therapie, die die Allergie ausmerzen kann.

Warum wird eine Hyposensibilisierung meist im Herbst oder Winter durchgeführt?

Weil der Körper schon genug gestresst ist, wenn Pollen und Gräser herumfliegen und er dann keine weiteren Allergene erhalten sollte. Ob im Herbst oder Winter mit der Behandlung begonnen wird, hängt vom Behandlungsschema ab. Es gibt Kurzzeittherapien vor der Pollensaison - die also genau jetzt im Herbst oder Winter durchgeführt werden. Daneben gibt es aber auch ganzjährige Therapien. Ihr Kinderarzt kann Sie beraten, welches Schema bei Ihrem Kind am meisten Sinn macht.

Funktioniert die Hyposensibilisierung auch bei Allergien auf Hausstaubmilben oder Insektengift?

Ja, auch bei diesen Allergien kann eine Hyposensibilisierung durchgeführt werden. Am häufigsten wird sie jedoch bei der Pollenallergie eingesetzt. Schliesslich ist sie die häufigste allergische Erkrankung in der Schweiz: Gemäss Allergiezentrum Schweiz reagieren heute 20 Prozent der Bevölkerung allergisch auf Pollen. Manchmal tritt die Allergie erst im Erwachsenenalter auf, oft aber sind bereits Kinder betroffen.

PollenwieseNicht alle Kinder reagieren auf Pollen. Warum sind die einen allergisch, die anderen nicht?

Dazu gibt es viele Theorien. Gesichert scheint derzeit einzig, dass mehrere Faktoren zur Entstehung einer Allergie führen. Sowohl die Gene, als auch die Umwelt können ihren Beitrag dazu leisten.

Stimmt es, dass bestimmte Kinder allergisch auf die Therapie reagieren?

Eine Hyposensibilisierung macht man nur in einer dafür ausgerichteten Arztpraxis. Das Kind bleibt nach der Behandlung in jedem Fall eine halbe Stunde zur Beobachtung in der Praxis und wird bei Bedarf sofort behandelt. Man muss also keine Angst haben. Natürlich informiert der Kinderarzt bei einer Abklärung ganz genau über mögliche unerwünschte Reaktionen des Körpers. Eine gängige Reaktion ist beispielsweise, dass der Arm am Einstichort etwas dick oder rot wird – wie bei einer normalen Impfung.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Claudia Schweighart!

Das Interview mit Dr. med. Claudia Schweighart hat Rahel Landolt geführt.

24. Oktober 2019, Kinderarzthaus in St. Gallen